Wütend werden. Wütend sein. Im Moment der Wut im eigenen Atem gefangen sein. In der Unfähigkeit keine Luft finden die eigene Sprache zu nutzen. Stück für Stück besetzt die Wut meine Gedanken ohne Erlaubnis dafür mit unbändiger Wucht. Ketten legen sich um meine Gedanken und Fragen formen sich: Hätte ich es abwenden können? Wenn ja, hätte ich es gewollt? Welche Schuld trage ich?

Wut in seiner reinen Form bringt eine unbekannte Kraft mit sich. Ein Geschenk… das anfangs schwer erkennbar seinen Platz sucht. Dieses kraftvolle Geschenk bereichert den Moment mit zwei vermeintlichen Inspektoren, denen man sich stellen muss – so oder so – denn keine Wahl zu treffen, ginge nicht: Die Verführung oder die Bewertung.
Einerseits steht die Bewertung „der Situation“ und somit der eigenen Person – lässt man kein gutes Haar an der Situation, ist man selber auch nicht besser – war man doch Teil der Situation.Andererseits die Verführung zu interpretieren, eine trügerische Freiheit, die mich glauben lässt, die Wahl zu haben.

In der Sprache der Wut ist dieser Moment „die unverfälschte Wahrheit über mich selbst. Kraft, die in Ketten liegt, die Worte, die ihren Ursprung im Kern der Welt haben. – Summiert ergibt es eine reinigende Wirkung vergleichbar mit den Herbststürmen, die Platz für den Winter schaffen.

Wut hat Wirkung – Kraft der Reinigung“

Wut als reine und überlebensnotwendige Emotion ermöglicht die Loslösung von Situationen, Menschen und Bedingungen. Erst die Wut gibt die Freiheit zu gehen. An einen neuen Ort, neue Felder der Entwicklung. Ohne Wut blieben wir in der Komfortzone. Diese Emotion ohne Worte aber mit Wirkung entspringt der Reinheit der Mitte. Sich von der Wut abwenden, wäre als ob ich mich von der Entwicklung und somit vom Leben abwenden würde – mich selbst verleumdend.

In der Wut begegne ich dem Wert „Schuld“. Diese Reise scheint einerseits nicht enden zu wollen andererseits immer beängstigender. Wut bringt Schuld auf, gegenüber mir selbst und der gegenüber der Situation. „Hätte ich es abwenden können, wenn…“ Schuld als Wert. Jede Entscheidung, jede Handlung bringt Konsequenzen. Mit jeder Entscheidung führe ich mich aus dem Dilemma im vollen Bewusstsein, nicht allen dienen zu können oder gerecht zu werden. Diese Schuld trage ich genauso wie die Verantwortung über die folgende Handlung. Beide trage ich alleine… Ein Versprechen mir selbst gegeben, mich nicht von meiner Schuld abzuwenden, meine Integrität zu wahren.

Schuld schafft Beziehung. Und Beziehung schafft Schuld.

Ein einfaches Prinzip, dem nichts hinzugefügt werden kann. Mein Lernfeld: Darin ankommen, wirken lassen und das Potenzial der Schuld erkennen. Das Geschenk der reinigenden Wirkung.

Autor

angela@caleidoscoop.ch