Vor einiger Zeit ist mir etwas sehr schlimmes widerfahren. Ich wollte aus der Sache raus, musste mich aber stattdessen damit arrangieren. Es war ein sehr Kräfte zehrendes Erlebnis und ich kam an die alle vorstellbaren und unvorstellbaren Grenzen, die ein Mensch spüren kann: körperlich, intellektuell und emotional.

Da ging ich meines Weges und hoffte in der Masse unterzugehen, nicht bemerkt zu werden. Ich wollte unerkannt bleiben, senkte meinen Blick zu Boden und suchte da verzweifelt nach der Antwort auf meine immer gleich lautende Frage: „Warum?“ Weder der Boden noch der Weg gaben mir eine ausreichende Antwort. Ich blieb stehen, blickte umher und bemerkte einen Mann. Er kam geradewegs auf mich zu und hielt mir seine Hand entgegen. Da erkannte ich eine Dose auf seiner Handfläche. Was ist das, wollte ich wissen. Der Mann antwortete mir lediglich: „Eine oder zwei Lösungen.“ Er öffnete die Dose. Darin befanden sich zwei Pillen: die eine rot, die andere blau.

Als ich die Pillen so ansah, dachte ich ganz beiläufig, wenn es doch wirklich so einfach wäre. „Ist es so einfach?“ fragte ich ohne Umschweife und hoffte inständig, dass der gute Mann mir sagen würde, dass ich mindestens zehn Aufgaben zu bewältigen hätte, bevor die Pille ansatzweise wirke. Doch zu meiner Enttäuschung und zu meinem Erstaunen entgegnete er mir: „Ja. Nimm die rote Pille und alles wird gelöscht. Du kannst danach deine Leinwand des Lebens neu bemalen, sie gestalten wie du schon immer wolltest. Dein Leben wird neu sein. Alles davor wird auf Null gesetzt. Verlockend, dachte ich mir und wollte es nun genau wissen: „Alles?! Wirklich alles?!“ „Ja.“ war zum wiederholten Mal seine Antwort. Innerlich wurde ich ruhig und fragte doch fast misstrauisch: „Auch die guten Dinge?“ „Ja.“ Diese Antwort war zu erwarten. „Auch die guten Dinge. Du wirst dich an nichts erinnern können. Du wirst alles neu erfinden müssen! Das Alte, was vorher war, wird nicht mehr vorhanden sein.“

Kurzum entschloss ich mich das Angebot auszuschlagen, da ich wirklich auch sehr schöne Dinge erlebt hatte, bedankte mich bei ihm und wandte mich zum Gehen. Ich sollte wohl alleine mit meiner Situation fertig werden.

Doch dann kamen mir seine Worte in den Sinn: Eine oder zwei Lösungen. Die blaue Pille… „Guter Mann, wozu dient die blaue Pille?“ „Das ist die Möglichkeit, deine Situation aus einer anderen Ebene zu betrachten. Sie wird sich nicht ändern und du bleibst in deinem Leben drin. Alles bleibt beim Alten, aber du siehst deine Situation aus einer anderen Perspektive.“ sagte der Mann. Ich wurde neugierig: „Wie viele der blauen Pillen bist du schon losgeworden? Und wirken sie wirklich?“ Der gute Mann lächelte und sagte: „Viele waren es nicht. Die Menschen setzen nämlich alles aufs Vergessen und Verdrängen. Sie malen sich ihre Wirklichkeit gerne wie sie sie haben wollen. Ob die blaue Pille wirkt, kann ich dir ebenso wenig verraten. Denn die Perspektive, die du einnehmen wirst, ist vorher nicht bestimmt. Das ergibt sich eher aus dem Zufall – die Perspektive wird dir zufallen. Daher werden sich deine Erkenntnisse je nach zugefallener Perspektive anders ausfallen.“ „Aha“, war meine Antwort. Als ob ich nicht mehr zu sagen gehabt hätte. Ich hatte also die Wahl der Adaption meiner Wahrheit oder die Möglichkeit, neue Filter in meiner Wahrnehmung zu definieren. Es ist nicht einfach, sich zu einer Lösung durchzuringen. Meist passiert diese Entscheidung unbewusst. Doch ist die Entscheidung gefallen, ist die Durchführung relativ einfach: Verzerren, Tilgen, Verallgemeinern und/oder Lücken füllen, auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Adaption nach Jean Piaget. Auf einen anderen Ast zu steigen und sich selber zu betrachten. Gespannt und offen sein für das, was da zum Vorschein kommt.

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